Die Türkei – ein Land der Kirche

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    Die Türkei – ein Land der Kirche

    Vortrag des Kirchenhistorikers Prof. Dr. Rudolf Grulich beim III. Pater-Werenfried-Jahresgedenken (Köln, 28. Januar 2006)


    Portrait-1-Grulich_Rudolf_M.jpgKein Land außer Palästina ist mit dem Christentum, ja auch mit der ganzen biblischen Geschichte, so verbunden wie das Gebiet der heutigen Türkei. Der Ararat, auf dem nach der Sintflut die Arche Noahs gelandet sein soll, liegt ebenso auf ihrem Gebiet wie Haran, wo Abraham den Ruf Gottes erhielt, „weiterzuziehen in das Land, das ich dir zeigen werde“ (Gen 12,1). Bei Urfa (heute Sanliurfa), dem alten Edessa, erinnern noch heute die Teiche Abrahams daran. In Haran schöpfen auch heute Frauen und Mädchen Wasser am Brunnen wie vor mehr als dreieinhalbtausend Jahren, als Abraham seinen Knecht nach Haran sandte, um Rebekka als Frau für seinen Sohn Isaak zu holen. Jakob diente hier zweimal sieben Jahre bei Laban, um Rachel zu heiraten.

    In seiner Ansprache an die katholischen Bischöfe der Türkei bei ihrem Ad-Limina-Besuch 1994 in Rom erinnerte Papst Johannes Paul II. an seine Pilgerreise „in das ehrwürdige Land Türkei …, das berühmt ist durch die Präsenz und das apostolische Wirken der Säulen des Glaubens, nämlich der Apostel des Herrn.“

    Antiochien, die „große Gottesstadt“, das heutige Antakya im Südosten der Türkei, ist der Ort, wo (nach Apostelgeschichte 11,26) die Jünger Jesu zum ersten Mal den Namen Christen erhielten. Die Älteren unter uns erinnern sich noch daran, dass vor der Liturgiereform des Zweiten Vatikanums die Kirche das Fest „Petri Stuhlfeier zu Antiochen“ beging.

    Die Reisen des Völkerapostels Paulus liegen zum großen Teil in Kleinasien: Perge in Pamphylien, Antiochia in Pisidien, Ikonium, Derbe und Lystra sind ebenso biblische Stätten des Neuen Testamentes wie Ephesus und das Gebiet der Kolosser und Galater, an die der heilige Paulus Briefe richtete. Die Apokalypse des heiligen Johannes gilt sieben Gemeinden im westlichen Kleinasien, deren Leuchter von der Stelle gerückt wurde: „An den Engel der Gemeinde in Ephesus schreibe:“, so heißt es in der Geheimen Offenbarung, deren Briefe sich auch an die Gemeinden Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea richten, aber auch heute noch allen Christen gelten: „Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt“ (Offb 3,22).

    Johannes Paul II. betonte, dass ihn seine Pilgerreise führte „…zu den reinsten Quellen des christlichen Lebens, zu den Ursprüngen des großen Stroms der Evangelisierung, die aus der Türkei eine der am engsten mit der Verkündigung des Heils verbundenen Stätten gemacht haben. Sie ist wahrhaft ‚heiliges Land’ der Urkirche, reich an einer kulturellen Tradition, deren Spuren so zahlreich sind, dass sie die Aufmerksamkeit der katholischen Kirche und aller Christen auf sich ziehen. Wie sollten wir nicht an einige eure Städte denken, deren Namen an die Adressaten der Briefe des Apostels Paulus erinnern und daran, dass die ersten sieben Ökumenischen Konzilien in der Türkei stattfanden? Ich nenne nur Ephesus, wo die Fülle Christi als Gott und Mensch verkündet und wo die unvergleichliche Würde seiner heiligsten Mutter feierlich anerkannt wurde“.

    Und der Heilige Vater fuhr fort:
    „Die Türkei besitzt ferner Kunst- und Kulturschätze, die zum gemeinsamen Erbe der Menschheit gehören; Zeichen einer reichen und alten Überlieferung, die heute noch ihre Frucht im Rahmen der religiösen und sozialen Situation ihres Volkes zu tragen berufen ist. Wie könnten wir die Lehren des hl. Polykarp, Bischofs von Smyrna, des hl. Ignatius von Antiochien und der berühmten kappadokischen Väter, Basilius und der beiden Gregor und Johannes Chrysostomus, vergessen, die alle Mittel ihrer Intelligenz und ihrer Kultur, aber auch die ganze Glut ihres Glaubens und all ihrer Durchdringung dieses Glaubens als große Kontemplative in den Dienst der Gläubigen gestellt haben.“

    Auf den ersten, von fast allen Kirchen anerkannten Ökumenischen Konzilien ist auf dem Gebiet der heutigen Türkei der christliche Glauben definiert worden: In Nizäa, Konstantinopel, Ephesus und Chalzedon fanden die ersten vier Konzilien statt, weitere bis zum 9. Jahrhundert in Konstantinopel und Nizäa. Zwei Städte in der heutigen Türkei gaben dem großen Glaubensbekenntnis, dem Symbolum Nicaeno-Constantinopolitanum, den Namen: Iznik–Nizäa und Istanbul-Konstantinopel.

    Haben Sie schon einmal an diese Tatsache gedacht, wenn Sie das Große Glaubensbekenntnis beten? Dieses Glaubensbekenntnis ist außer der Bibel das Einzige, was alle Christen gemeinsam haben. Die Arianer, gegen die sich das Glaubensbekenntnis von Nizäa und Konstantinopel richtete, sind in der Völkerwanderung untergegangen. Die Kirchen, die sich leider nach den Konzilien von Ephesus 431 und Chalcedon 451 von der Gesamtkirche trennten, beten es ebenso bis heute wie die Orthodoxen Kirchen und die kirchlichen Gemeinschaften der Reformation.

    Große Kirchenväter und Heilige wie Basilius der Große, Gregor von Nazianz und Johannes Chrysostomos lebten in diesem Raum, denen wir die Hauptwerke griechischer christlicher Literatur und das östliche Mönchtum verdanken. Nach Johannes Chrysostomus ist bis heute die byzantinische Liturgie als „Göttliche Liturgie des hl. Johanes Chrysostomus“ benannt.
    Auch ein Beispiel unserer Volksfrömmigkeit zeigt die Türkei als Land der Kirche: Von den 14 Nothelfern hätten heute 10 einen türkischen Personalausweis (Barbara, Margareta, Blasius, Christophorus u. a.).

    Es waren nicht nur Wirren der Völkerwanderungen, die Perser- und Arabereinfälle, nicht nur die Herrschaft der Seldschuken und Osmanen, sondern die Politik des 20. Jahrhunderts, die Kleinasien und die europäische Türkei von Christen säuberte. Wie in Konstantinopel gab es 1914 noch in den meisten Städten des Landes Christen. 30% der Bevölkerung machten sie am Vorabend des Ersten Weltkrieges in Kleinasien aus. Die Hafenstadt Smyrna, heute Izmir, hatte bei 250.000 Bewohnern eine christliche Mehrheit. In den Städten der Paulusreisen und der Apokalypse gab es noch orthodoxe griechische Bischöfe und Gemeinden. Im Osten Anatoliens residierte ein armenischer Katholikos in Kilikien, ein syrischer Patriarch hatte seinen Sitz bei Mardin und ein nestorianischer im Bergland von Hakkari. Dutzende von griechisch-orthodoxen, armenisch-gregorianischen und armenisch-unierten, syrisch-jakobitischen und syrisch-unierten, nestorianischen und chaldäischen Bischofssitzen gab es damals in Anatolien. In der damaligen Provinzstadt Ankara z. B. residierten ein griechischer und armenischer Bischof.
    Wenn ich das 20. Jahrhundert als das Schicksalsjahrhundert der Christen in Kleinasien und im Neuen Rom Konstantinopel bezeichnete, so muss daran erinnert werden, dass vor genau 150 Jahren, am 18. Februar 1856, dem 11. Djemazil-ul Ahir 1272 des islamischen Kalenders, der Hatt-i Hümayun veröffentlicht wurde, ein Erlass des Sultans, der in 20 Paragraphen die Stellung der osmanischen Untertanen bestimmte und dessen Ausführungen über die freie Ausübung der Religion auch ihren Niederschlag im Pariser Friedensvertrag fanden, der im gleichen Jahr geschlossen wurde und den Krimkrieg beendete. Die uns interessierenden Punkte sind folgende:
    Paragraph 1 betont und erneuert die Garantien eines anderen Erlasses des Sultans von 1839, des Hatt-i Serifs von Gülhane, also Sicherheit der Person und der Habe eines jeden Bürgers ohne Unterschied des Standes und der Religion. Um dies tatsächlich zu gewährleisten, sollen geeigneten Maßnahmen ergriffen werden.
    Paragraph 2 erneuert alle Privilegien und Immunitäten, die von den Vorgängern des Sultans christlichen Gemeinschaften und anderen nichtmuslimischen Riten gewährt wurden.

    Am wichtigsten aber ist Paragraph 5, der die freie Religionsausübung für jeden Bürger gewährt: „Kein Untertan meines Reiches darf in der Ausübung seine Religion, die er bekennt, gehindert werden.

    Der englische Gesandte Lord Stratford hatte zunächst folgende Fassung dieses Paragraphen vorgeschlagen: „Kein Unterthan Sr. Majestät des Sultans, welchem Cultus er auch angehört, wird wegen seiner religiösen Meinung weder beleidigt noch beunruhigt und noch viel weniger verfolgt oder bestraft werden.“ Die türkische Regierung hatte aber gegen diese Formulierung Bedenken, da der Prophet Mohammed ja angeblich selbst die Todesstrafe verlangt hatte, wenn ein Muslim den Glauben wechselte. Deshalb formulierte sie den Paragraphen im Hatt-i Hümayun so, dass kein Widerspruch zum koranischen Gesetz spürbar wurde: Der Christ gewordene Muslime kann sich nun auf den Hatt-i Hümayun berufen und wird nicht mehr nach den islamischen Gesetzen gerichtet, sondern darf in seiner neuen Religion nicht behindert werden.

    Damals sind in der Türkei Kirchen gebaut worden, wurden Diözesen gegründet und entstanden Priesterseminare. Leider ist das viel zu wenig bekannt und werden diese Kirchen kaum besucht. Über 100 gibt es immer noch in Istanbul, davon etwa 20 katholische. Nicht als Museen wie die Hagia Sophia oder das Chora-Kloster, sondern als Kirchen, in den das Opfer Christi gefeiert, das er uns zu feiern auftrug. In sieben katholischen Kirchen in Izmir kann man den Herrn im Tabernakel besuchen, aber auch in Iskenderun, Mersin und Antakya. In manchen dieser Städte wie Iskenderun und Antakya hat unsere Kirche sogar Gästehäuser, aber die Touristen, auch die Teilnehmer an Fahrten katholischer Pilgerbüros gehen lieber in Hotels oder wissen nichts von der Existenz der Kirchen und der tapfern Priester, Ordensmänner und Schwestern, aus ganz Europa, aber meist aus Italien, die hier bei ihrer Arbeit vom Weinberg des Herrn nur träumen können.

    Das Jahr 1856 ist für uns deshalb in dreifacher Hinsicht bedeutsam.

    1. Der Sultan war damals auch Kalif, also Oberhaupt aller Muslime, gewährte aber Religionsfreiheit. Daran müssen heutige muslimische Staaten, aber auch Möchtegern-Kalifen erinnert werden, die heute rückständiger und fanatischer sind als das Osmanische Reich des 19. Jahrhunderts.
    2. Damals, 1856, haben sich die Mächte Europas für die Christen in der Türkei engagiert eingesetzt. Damals im Krimkrieg Frankreich, England und Sardinien-Piemont, aber auch das im Krimkrieg unterlegene Russland, denn der Zar betonte in seinem Manifest vom 31. März 1856, dass „der ursprüngliche und hauptsächliche Zweck des Krieges“ von Russland erreicht worden sei: „Das künftige Los und die Rechte aller Christen im Orient sind von nun an sichergestellt. Der Sultan erkennt sie feierlich an, und in Folge dieses Aktes der Gerechtigkeit tritt das Osmanische Reich in den allgemeinen Verband der europäischen Staaten ein! Russen! Eure Anstrengungen und Eure Opfer waren nicht vergeblich. Das große Werk ist vollendet.“ Außer den kriegführenden Ländern hat durch Jahrhunderte auch Österreich ein Protektorat, ein Schutzbündnis über die Christen in der Levante wahr genommen, von Bosnien bis ins Heilige Land.
    3. Es war die Politik des 20. Jahrhunderts, der Nationalismus als Ersatzreligion, der das Christentum in der Türkei so zerstörte, dass die Christen von 30% der damaligen Bevölkerung auf wenige Promille herab sanken.

    Europa hat nichts unternommen, als es schon 1908 bei Adana zu Massenmorden an Armeniern kamen. 1915 war Deutschland im Ersten Weltkrieg mit der Osmanischen Türkei verbündet und schwieg zur Endlösung der Armenierfrage. Nach dem Krieg hatten die Europäischen Mächte in Kleinasien nur Interessen, aber keine Prinzipien. Im Kalten Krieg brauchte Europa die Türkei in der NATO und unternahm nichts gegen die Vertreibung und Abwanderung der nach dem Vertrag von Lausanne verbliebenen, immer weniger werdenden Christen.
    Muss das so bleiben?

    Ist dieser Zustand eine Frage an die Politik oder an die Mehrheitsreligion der Türkei?

    In der Nähe von Antiochien und der heutigen Bischofsstadt Iskenderun liegt der Gebirgszug des Musa Dagh, Ihnen allen bekannt durch den Roman von Franz Werfel: Die 40 Tage des Musa Dagh. Werfel, der uns Kunstwerke wie Das Lied von Bernadette und Der veruntreute Himmel geschenkt hat, schrieb einen Roman, der auf der historischen Grundlage fußt, dass sich 1915 die Bewohner einiger armenischer Dörfer bei Antiochien vor der Deportation und dem Völkermord auf den Musa Dagh (Moses-Berg) zurückzogen und alle Angriffe türkischer Einheiten abwehren konnten, bis sie nach 40 Tagen von einem französischen Kriegsschiff gerettet und nach Alexandrien gebracht wurden.

    1997 ist Werfels Roman auch in der Türkei in türkischer Übersetzung erschienen. „Die vierzig Tage des Musa Dagh“ sind kein antitürkisches Buch, denn Werfel zitiert auch Nezimi Bey: „An den armenischen Leichenfeldern wird die Türkei zugrunde gehen“, und er lässt ihn gegenüber Dr. Johannes Lepsius fragen: „Wissen Sie, dass die wahren Türken die armenischen Verschickungen noch heftiger verwerfen als Sie?“

    Durch Nezimis Vermittlung kann Lepsius auch Scheich Ahmed und dessen Derwisch-Orden besuchen. In dem Gespräch wird der „Nationalismus der heute bei uns herrscht“, als Ursache genannt, „ein fremdes Gift, das aus Europa kam. Vor wenigen Jahrzehnten noch lebten unsere Völker treu unter der Fahne des Propheten: Türken, Araber, Kurden, Lasen und andere mehr. Der Geist des Korans glich die irdischen Unterschiede des Blutes aus.“
    Der alte Scheich erklärt Lepsius: „Der Nationalismus füllt die brennend-leere Stelle, die Allah im menschlichen Herzen zurücklässt, wenn er daraus vertrieben wird.“

    Gilt das nicht auch für das heutige Europa, das Gott aus der EU-Charta verbannt, ja sogar den Hinweis auf die christlichen Grundlagen Europas vermeidet?

    Der verstorbene Papst hat eine Neuevangelisierung Europas gefordert, er hat aber auch in Syrien in der Großen Moschee von Damaskus gebetet. Ich möchte deshalb schließen mit dem, was das Zweite Vatikanum im Dekret über die nichtchristlichen Religionen über den Islam sagt:

    „Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich auch, seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenserhaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten.
    Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslimen kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.


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